GROEZROCK Festival Mai 2015

GROEZROCK Festival in Meerhout BelgienBereits zum 24. Mal trifft sich die europäische Hardcore-Szene im kleinen belgischen Ort Meerhout. Das Dorf hat man schnell gesehen, wenn man der langen Hauptstraße folgt, um zum GROEZROCK zu kommen. Ein Supermarkt, eine Kirche, eine Schule, viele kleine, wenn auch recht moderne Einfamilienhäuser. Es ist mein erster Besuch hier und so ganz will sich die ländliche Idylle nicht mit den zwei Tagen Lärm in Verbindung bringen lassen. Scheinbar geht es auch vielen Anwohnern so, die vor ihre Einfahrten Gitterzäune stellen oder sogar ganz vereist sind, wenn man den ewig geschlossenen Fensterläden Glauben schenkt.

Wo die Straßen und Häuser leer wirken, so ist das Gelände des GROEZROCK Festivals mit gut 30.000 Hardcore-, Punk- und Metal-Fans gefüllt. Persönlich bin ich etwas erstaunt, dass vier der fünf Bühnen riesige Zelte sind. Der Vorteil ist, dass Wind und Wetter keinen Einfluss auf die Shows haben. Zum anderen kommt besonders bei den kleineren Bühnen wie der “Back to Basics“- und der “Revenge“-Stage ordentlich Clubfeeling auf. Ein leichter Nachteil ist, dass es durch den ständigen Schatten in den Zelten etwas kühl ist und man Anfang Mai eh noch keine sommerlichen Temperaturen erwarten kann.

GROEZROCK 1. Mai 2015 – Tag 1

Die erste Band, die sehe dank Zeltplatz-Suche und Aufbau des selbigen erst um 14.40 Uhr – Schade um CARNIFEX und JOYCE MANOR. THE HOTELIER ist noch ein Geheimtipp im Emo-/Pop Punk-Zirkus. Dennoch ist die Revenge Stage gut besucht. Ich schätze, dass gut 700 Leute im Zelt stehen, um die Amerikaner auf ihrer ersten Europa-Tour zu sehen. Das letztjährige Album “Home, Like Noplace Is There“ fand sich in einigen Bestenlisten 2014 wieder. Wie dieser Auftritt zeigt: Zu Recht! ‘An Introduction To The Album‘ ist die Einführung in das Konzert. Schon hier erhebt das Publikum die Stimmen zu gewaltigen ‘Oooh Oooh‘-Chören. Das Quintett gibt sich auf der Bühne ganz seiner Musik hin. Keine großen Ansagen oder Gesten, sondern einfach nur 35 Minuten Emo-Revival. Highlight des Sets ist wohl für viele das mitreißende ‘Your Deep Rest‘. Mit Sicherheit wird diese Gruppe sich noch einige neue Fans erspielen können 2015.

Danach würde es eigentlich zur benachbarten Back To Basics Stage gehen, um die amerikanischen Emo-/Post-Hardcore-Newcomer SET IT OFF zu sehen, doch außer ewig langem Soundcheck und mehrmaligen Abspielen des Intros und anderer Samples bekomme ich nichts mit. Nach gut 20 Minuten Wartezeit ohne die Jungs gesehen zu haben, geht es rüber zur zweitgrößten Bühne, der Impericon Stage, wo die britischen Metalcore-Senkrechtstarter WHILE SHE SLEEPS pünktlich die Bretter betreten. ‘New World Torture‘ eröffnet die Show der Truppe. Auch wenn das neue Material von “Brainwashed“ ziemlich gut bei dem gut gefüllten Zelt ankommt, so sind es doch die Nummern vom Debütalbum “This Is The Six“, wie der räudige Titelsong oder das melodischere ‘Seven Hills‘, die für Stimmung und Mitgröhlarien sorgen. Besonders Sänger Lawrence Taylor legt auf der Bühne los und schwingt seine lange Matte wie ein Propeller, wann immer der jeweilige Song es zulässt. Doch auch seine vier Bandkollegen machen eine gute Figur und werfen sich in diverse Posen. Das 40 Minuten lange Set ist ein netter nachmittäglicher Mosh.

Nach einer Pause geht es weiter mit den wiedervereinten Metalcore-Pionieren ATREYU. Der Auftritt beim diesjährigen GROEZROCK ist der erste Gig in Europa seit der Reunion 2014. Obwohl die Band auf einem Festival spielt, welches den Fokus auf Punk und Hardcore legt, beginnt man mit dem Hard Rocker ‘Doomsday‘ vom vierten Album “Lead Sails Paper Anchor“, welches überhaupt sehr stark in der Setlist vertreten ist. Daher ist es auch nicht allzu verwunderlich, dass erst beim darauffolgenden Klassiker ‘Right Side of the Bed‘ so wirklich Stimmung aufkommen will. Der “The Curse“-Track ist definitiv einer der besten Songs, der Band, ja, sogar der gesamten Metalcore-Landschaft. Das war schon immer so und wird auch noch so sein, wenn das Genre niemanden mehr interessiert. Brüllwürfel Alex Varkatzas macht stimmlich eine extrem gute Figur und klingt besser als vor fünf Jahren, als ich ATREYU das letzte Mal live erlebt habe. Selbiges lässt sich auch über Brandon Saller sagen, dessen clean Vocals exzellent klingen. Besonders bei melodischen Nummern wie ‘Become The Bull‘ oder ‘Blow‘ weiß er seine Stimme gekonnt einzusetzen. Nach 45 Minuten setzt die Metalcore-Band zum letzten Song an: ‘You Give Love A Bad Name‘. Das BON JOVI-Cover ist bereits seit Jahren Bestandteil des Livesets und erfreut sich auch heute größter Beliebtheit. Das Publikum scheint an dem Track sogar mehr Freude zu haben als am eigentlichen Material der Band. Für mich handelt es sich bei dem ATREYU-Gig zweifellos um die beste Show des ersten Festivaltags. Einziger Wermutstropfen ist, dass die Pop Punker von TRANSIT genau gleichzeitig auf der Revenge Stage spielen. Sehr schade!

Leider lässt sich nur wenig positives über SUICIDE SILENCE sagen. Das Zelt der Impericon Stage ist zwar rappelvoll, jedoch war die Band in GROEZROCK mit Mitch Lucker um einiges schmackhafter. Sein Nachfolger Eddie Hermida überzeugt mich absolut Null! Außer hohem Gekreische und tiefem Gegrunze kann der Mann leider nur wenig. Zudem klingen seine Vocals absolut austauschbar. Mir gibt das nichts. Auch wenn ‘No Pity For A Coward‘ Erinnerungen an die absolut gelungene Show 2009 im Vorprogramm von PARKWAY DRIVE wachruft. Aber “Pull the trigger, bitch!“ ist 2015 lediglich eine Reminiszenz an die Jugendrevolte und kein Manifest erstklassiger Musik. Ein etwas matschiger Sound hilft SUICIDE SILENCE ebenso wenig. Den Fans scheint der gebotene Deathcore-Einheitsbrei jedoch zu gefallen. Vor der Bühne geht im Moshpit einiges, besonders bei Tracks der ersten beiden Alben “The Cleansing“ und “No Time To Bleed“.

Eine deutlich bessere Show erlebt man nur wenig später bei CEREMONY. Früher setzte man auf Hardcore der härtesten und schnellsten Sort, dann auf 70er Punk Rock und nun scheinbar auf… Post-Punk?! Der Opener stammt von der noch nicht veröffentlichten LP “The L-Shaped Man“. Die Band gibt sich in GROEZROCK ganz ihrer Vorliebe für JOY DIVISION hin. Nach dem Song folgt ‘Sick‘ und das komplette Zelt dreht komplett durch. Die Bühne wird gestürmt und ist nun Teil des Chaos, welches eigentlich davor herrschen sollte. Der Großteil des Sets besteht aus Songs der Releases ab “Rohnert Park“. Die Mischung aus 70er Punk, Aggression und irgendwie auch Avantgarde ist extrem gut. Die zwei, drei Alibi-Songs vom brutalen “Violence Violence Violence“ hätten da gar nicht kommen müssen. ‘Open Head‘ von “Rohnert Park“ avanciert trotz gemäßigter Härte zu einem der heftigsten Momente des knapp 40 minütigen Auftritts der Amerikaner, die scheinbar komplett in ihrer eigenen musikalischen Welt verschwinden. Wilder ist wohl nur die noch folgende TRASH TALK-Show auf diesem Festival.

Weiter geht es mit den wiedervereinigten Emo/Indie-Rockern von MINERAL. Deren beiden Alben “The Power of Failing“ (1997) und “EndSerenading“ (1998) gehören zum Kanon des 90er Jahre Emo-Sounds. Ich hätte zwar ein paar mehr Leute im Zelt der Revenge Stage erwartet, doch füllt sich jenes im Verlauf des Sets noch etwas, so dass das in die Jahre gekommene Quartett nicht vor lichten Zuschauerreihen spielen muss. ‘Five, Eight & Ten‘ eröffnet das Dreiviertel Stunden lange Konzert der Genrepioniere. Mir persönlich gefallen besonders die tief gehenden Kompositionen des Debüts sehr gut. Untermalt wird die Performance von einer guten Lichtshow und durch einen klaren, doch druckvollen Sound aufgewertet. Ganze neun Songs kann MINERAL im Set unterbringen. ‘Gloria‘ und ‘Parking Lot‘ erweisen sich als Highlights der Show. Gegen ‘If I Could‘ hätte ich auch nichts einzuwenden gehabt, doch wird mir dieser Wunsch nicht erfüllt. Macht nichts, war trotzdem gut!

Noch besser wird es in GROEZROCK bei TRASH TALK. Mittlerweile ist das Quartett ein Genre übergreifendes Phänomen geworden. Egal, ob Hardcore-Kids in STICK TO YOUR GUNS-Shirts, Punks, Metalheads oder Indie-Rocker – alle kommen bei TRASH TALK zusammen. Wahrscheinlich, weil man von der Gruppe eine absolut unberechenbare Show erwarten kann. Um das Fazit schon einmal vor weg zu nehmen: Ich habe bereits wildere Gigs der Hardcore-Gruppe gesehen, doch bricht bei keiner anderen GROEZROCK-Band 2015 so viel Chaos aus, wie hier. Die Bühne wird von der ersten Sekunde an gestürmt und mit Stagedivern übersät. Besonders das Material der ersten vier Releases, welches TRASH TALK noch von der aggressivsten Seite präsentiert, wird euphorisch vom Publikum aufgenommen. ‘F.Y.R.A.‘, ‘Worthless Nights‘ und das total asoziale ‘Dig‘ sorgen für  mächtig Bewegung vor und auf der Bühne. Wie üblich verlangt Sänger Lee Spielman, dass sich die Leute bei ‘Hash Wednesday‘ auf den Boden knien. Leute, die sich zunächst weigern, werden vom schmächtigen Sänger mit Nachdruck dazu aufgefordert. Gegen Ende des Sets sind ungefähr 70 (!) Fans auf der Bühne und das bisherige Chaos wird noch einmal gesteigert. Und dennoch: Die Show war ausgezeichnet, doch habe ich ein, zwei noch wildere Clubshows von TRASH TALK gesehen.

Musikalisch etwas gemäßigter geht es in GROEZROCK bei TITLE FIGHT zu, trotzdem wissen die Fans, wie man mächtig Bewegung in das Zelt bringt. Der Cocktail aus 90er Emo, Punk Rock, Grunge und seit neustem auch ein üppiger Schuss Shoegaze ist bereits seit dem grandiosen Debüt “Shed“ nicht mehr aus der Szene zu denken. Mit dem aktuellen Werk “Hyperview“ bin ich zwar auf Platte noch nicht ganz warm geworden, live hingegen kommen die Songs recht gut rüber. Sowieso bin ich erstaunt, wie homogen sich die Nummern in das bisherige Set von TITLE FIGHT einfügen. Die offensichtlichen Hits stammen jedoch vom Debüt, wie der Titelsong ‘Shed‘ oder ’27‘, welches für massive Sing-Alongs sorgt. Ich bin jedes Mal ein wenig verwundert, wie das Publikum zu den Nummern abgeht, da ich selbst die Songs nicht als so krass oder hart empfinde, doch bei der Gruppe herrscht mehr Bewegung als bei härteren Bands wie DEFEATER oder REIGN SUPREME. TITLE FIGHT is vollkommen zurecht Headliner der Revenge Stage an diesem Festival-Tag.

Mit besagten DEFEATER neigt sich das Programm in GROEZROCK der Back to Basics Stage ebenfalls dem Ende zu. Unüblicherweise legt man mit der Akustiknummer ‘Brothers‘ los, bei der jedoch im Vergleich zur Studioversion später die gesamte Band einsteigt. Das restliche Set besteht dann jedoch einzig aus den melodischen Hardcore-Songs für die, die Fans DEFEATER so verehren. Mit ‘The Red, White and Blues‘ folgt bereits an zweiter Position. Solch einen Hit derartig früh zu spielen, braucht Selbstbewusstsein. Gleichzeitig gibt es die Marschrichtung für die energiegeladene Performance vor, welche mit acht Songs insgesamt zwar eher kurz ausfällt, dafür nur auf Hits setzt. Bei dieser Songauswahl wird sich wohl kein Fan beschweren können. Ruhigere Songs wie das hochemotionale ‘Empty Glass‘ tauschen sich mit Krachern wie ‘Bastards‘ oder ‘Dear Father‘ ab. Nach etwas mehr als einer halben Stunde ist allerdings schon Schluss mit dem eigentlich für 50 Minuten angekündigten Set. Sänger Derek Archambault bedankt sich in GROEZROCK wieder mal extrem lange und ausgiebig bei den Fans, bevor auch er die Bühne verlässt.

Damit neigt sich der erste Festivaltag für mich dem Ende zu. Auf den Headliner der Hauptbühne, SOCIAL DISTORTION, kann ich verzichten. Zu groß ist die Freude über einen erholsamen Schlaf. In der Retrospektive hätte ich mir jedoch besser mal die Punk Rocker angeschaut, da bei dem Lärm des Partyzeltes (welches sich direkt neben unserem Zelt befindet…) auf dem Campingplatz bis vier Uhr morgens nicht an Schlaf zu denken ist.

GROEZROCK 2. Mai 2015 – Tag 2

Nach der eher kurzen Nacht, fängt der zweite Festivaltag mit einem Gang durch den Festivalmarkt eher entspannt an. Diverse Händler bieten Vinyl, Merch, Jutebeutel und sonstige Waren an – zum Teil zu extrem guten Preisen (Die “Bloodlands“ LP von den Black Metallern ASH BORER für gerade einmal 15 Euro zu ergattern grenzt an einen Lottogewinn). Doch die kurze Nacht hat Spuren hinterlassen. NASTY und NO TURNING BACK müssen in GROEZROCK deswegen ausfallen, um Kräfte für einen langen Tag zu sammeln.

TURNSTILE um 15.15 Uhr ist mein Einstieg in den zweiten Tag. Die Band als “Hype“ zu bezeichnen, würde dem Hype nicht einmal gerecht werden. Die Hardcore-Truppe ist das wohl heißeste Eisen unter den aktuellen Newcomern der Szene. Es bieten sich TRASH TALK-ähnliche Bilder: Ein wilder Pit, viele Sing-Alongs und massig Leute auf der Bühne, die eigentlich vor selbige

gehören. An mir ist der Hype scheinbar vorüber gegangen, doch ist diese Show so gut, dass ich mich nach dem Festival mal näher mit den Amerikanern beschäftigen muss. Geboten wird New School Hardcore, der zwar ordentlich groovt und kantig daherkommt, aber keine prolligen Breakdowns braucht, um an Härte zu gewinnen. 30 Minuten über geben Musiker und Fans Vollgas. Auf Seiten der letzteren ist von Ermüdung (noch) keine Spur.

Nur Hardcore und Stagedives kann man sich jedoch auch nicht zwei Tage am Stück geben. Wer ähnlich empfindet, trifft sich für THE EARLY NOVEMBER vor der Revenge Stage ein. Die Emo/Indie-Rocker wirken absolut sympathisch und können auch musikalisch überzeugen. Uniq für das gesamte Festival ist, dass ein Fan direkt mehrmals die Bühne stürmt und sich das Mikrofon krallt und dabei fast eine bessere Figur macht als der eigentliche Sänger. Diese nimmt die Sache mit Humor und lässt den wohl größten THE EARLY NOVEMBER-Fan des Festivals machen. Der Roadie der Band nimmt es in GROEZROCK nicht so gelassen und möchte den “Neuzugang“ wohl nicht auf der Bühne haben, jedoch beugt auch er sich nach dem dritten Mal und lässt den Fan singen. Die Musiker nehmen es mit Humor und spielen mit viel Elan weiter. Auch eine Truppe, die man sich nach dem Festival mal näher anhören sollte.

40 Minuten später geht es in GROEZROCK an selber Stelle ungemein härter zu Gange. REIGN SUPREME entert die Bühne. Die Hardcore-Gruppe ist nicht allzu oft auf Tour, dafür lässt man es krachen, wenn man tourt. So auch auf dem GROEZROCK. Der brutale Hardcore mit PANTERA-Gedenkriffs und massiven (wenn auch eher stumpfen) Breakdowns lädt viele zum Nachmittags-Mosh ein. Noch immer ist von Ermüdung keine Spur zu bemerken. Bereits das Eröffnungsdoppel ‘Faithless‘ und ‘I Stand Defiant‘ sorgt für Violent Dancing. Die Band kann diese Aggressivität auch auf die eigene Performance übertragen und macht mächtig Dampf mit Songs der beiden Veröffentlichungen “American Violance“ und “Testing the Limits of Infinite“. Stumpf ist scheinbar auch 2015 noch immer Trumpf. REIGN SUPREME kann man sich schon gut ansehen, nur ob ich die Gruppe in meinem Leben brauche, wage ich zu bezweifeln. Das sieht der Großteil der Anwesenden jedoch anders.

Zwei Stunden und ein AMERICAN NIGHTMARE-Interview später, geht es mit der Hardcore-Legende BANE weiter. Die Gruppe hat bekannt gegeben, dass sie sich nach dem letzten Album “Don‘t Wait Up“ und ausgiebigem Touren in absehbarer Zeit auslösen wird. Fest steht jedoch: Dieses GROEZROCK wird das Letzte des Quartetts sein. Die Revenge Stage erfreut sich daher zu diesem Zeitpunkt größter Beliebtheit. Daher verwundert es auch nicht, dass die gut 2000 Leute beinahe kollektiv steil gehen. BANE liefert eine astreine Hardcore-Show, wie sie im Lehrbuch stehen sollte. Der Vierer gibt Gas und wirkt zu jedem Zeitpunkt authentisch wie sympathisch. Musikalisch ist der sehr melodische Hardcore der Amerikaner eh über jeden Zweifel erhaben. Besonders ‘Swan Song‘ sorgt durch den Einsatz vom klaren Gesang für Gänsehaut. Die Jungs liefern ein Best-Of-Set bestehend aus Tracks des gesamten Backkatalogs. Besonders das finale Full Lenght “Don‘t Wait Up“ ist ordentlich in der Setlist vertreten und beweist, dass Bane auch nach knapp 20 Jahren noch immer eine der wichtigsten Bands der Hardcore-Landschaft ist. Eine Lücke, die nur schwer gefüllt werden kann, wie dieser Auftritt beweist.

Ein Anwärter darauf ist jedoch COMEBACK KID, mittlerweile eine der größten Bands der Szene. Eine Zeit lang, hätte die Band ein guter Ersatz für BANE sein können. Mittlerweile ist der Sound jedoch etwas zu hart und metallisch. Das Impericon Stage-Zelt ist extrem gut gefüllt als die Kanadier die Bühne betreten. Wer mit ‘Talk Is Cheap‘ anfängt, kann sowieso nichts verkehrt machen. Auch das restliche Set ist ein Best-Of der Diskographie. Alte wie neue Songs wirken live total homogen, auch wenn sie auf Platte deutlich verschiedene Härtegrade haben. Besonders Tracks wie ‘Wasted Arrows‘ heben die (Thrash) Metal-lastige Seite von COMEBACK KID hervor. Der durchaus sympathische Sänger Andrew Neufeld hat das Publikum voll unter Kontrolle und kriegt genau die Reaktionen, welche er möchte. In einem Club oder einer kleineren Halle ist man dennoch  besser aufgehoben als vor ein paar Tausend Leuten auf einer großen Bühne, die keine direkte Interaktion zulässt. Das ist jedoch nicht so schlimm, immerhin sieht man die Hardcore-Truppe alle paar Monate irgendwo spielen, so dass ich nach der Hälfte des Sets in Richtung Revenge Stage laufe.

Denn die Briten von BASEMENT spielen. Die Jungs sind nicht wirklich oft unterwegs, so dass es durchaus berechtigt ist, den Auftritt von COMEBACK KID frühzeitig zu verlassen. Man spielt ähnliche Musik wie TITLE FIGHT am Abend zu vor. 90er Emo, Grunge und etwas Hardcore werden zusammen gemixt. Auffällig ist, dass bei BASEMENT besonders viel weibliches Publikum anwesend ist. Zwar sind die Songs des aktuellen Album “Colourmeinkindness“ etwas ruhiger als die vom Debüt “I Wish I Could Stay Here“, doch live wirken alle Nummern um einiges kantiger als bei den LPs. Die Fans freut es, da sie die Briten ziemlich feiern und zum einen oder anderen Stagedive die Bühne erklimmen. Das Quintett scheint die Begeisterung der Anwesenden zu erfreuen, da sie im Verlauf des Sets immer lockerer werden. Von einer eher ruhigen Performance zu Beginn, entwickelt sie sich langsam in eine ziemlich lockere Darbietung, die allen Beteiligten ordentlich Spaß macht. Ich muss gestehen, dass ich gar nicht mal so viel im Vorfeld der Show erwartet habe, dafür habe ich ein echt gelungenes Konzert erlebt. Da will man gerne einen Nachschlag, doch leider tourt BASEMENT eher selten durch die Weltgeschichte. Naja, durch den lichten Terminkalender erhält sich die Gruppe sicherlich die Freude an den Shows.

Dann geht es zum ersten und einzigen Mal zur Macbeth/Blackstar Stage, der einzigen Open Air Bühne des Festivals. Dort tritt YOU BLEW IT! (mit Ausrufezeichen!) auf. Die amerikanische Emo/Pop Punk-Truppe habe ich bereits einmal im Vorprogramm von REAL FRIENDS live gesehen und war nicht wirklich begeistert von dem Auftritt. Heute sieht das jedoch anders aus! YOU BLEW IT! wirkt mehr als sympathisch bei den Interaktionen mit dem Publikum und man nimmt sich selber sowie das Genre am laufenden Band auf‘s Korn. Vor der Bühne tummelt sich jedoch nur eine kleine Meute von vielleicht 60 Nasen. Diese haben jedoch richtig Spaß an der Show, sind textsicher und bewegen sich sogar vereinzelt. Jedoch merkt man nun doch bei vielen Besuchern etwas von Müdigkeit. Wenn ich mich umschaue, sind alle Sitzgelegenheiten okkupiert und auch sonst sitzen viele einfach nur auf dem Rasen und warten auf den nächsten Act. Davon ist bei den Jungs von YOU BLEW IT! jedoch nichts zu merken. Mit viel Elan spielt man das Set, welches jedoch ein paar Leute frühzeitig verlassen, um andere Bands zu sehen.
Bei mir wäre das MAKE DO AND MEND. Also das ist für mich so eine Truppe, die man hier und da live sieht, dabei eine angenehme Zeit hat und dann beschäftigt man sich nicht mehr groß damit. Auf Albumdistanz geben mir die amerikanischen Punk/Indie Rocker nur wenig, währenddessen die Liveauftritte bisher immer ganz passabel waren, was auch an dem total klischeehaften Südstaaten-Akzent des Sängers liegt, dessen kernige Stimme dem noch das i-Tüpfelchen aufsetzt. Highlight ist ‘St. Anne‘, der einzige Song von MAKE DO AND MEND, den ich auch so kenne und der mich auf den Shows der vier Amis auch immer wieder sehr erfreut. Im Vergleich zu BANE und BASEMENT , die beide zuvor auf dieser Bühne standen, ist das Publikum hier etwas verhaltener. Jedoch kann ich nur den halben Gig sehen, da ich bei der nächsten Band einen guten Platz haben will.

AMERICAN NIGHTMARE. Um die Jahrtausendwende rum waren Wes Eisold und Co das Nonplusultra des melodischen und doch düsteren Hardcores. Nach zwei EPs und zwei Alben löste man sich 2003 auf. Seit 2013 spielt man jedoch wieder in regelmäßigen Abständen ein paar seltene Shows. 2015 stehen nur zwei Aufenthalte in London und das GROEZROCK in Europa an. Selber höre ich AMERICAN NIGHTMARE (vielen sicherlich auch unter dem Namen GIVE UP THE GHOST bekannt, den man aus rechtlichen Gründen annehmen musste) noch gar nicht mal drei Jahre, doch war der Auftritt der Band für mich der Grund das GROEZROCK 2015 zu besuchen. Bei anderen Gruppen war die Back to Basics Stage war vielleicht mehr los, doch AMERICAN NIGHTMARE lebte und lebt nicht von irgendwelchen Trends, wie dem Emo-Revival, Breakdowns oder sonstigen Kamellen. Geboten wird Hardcore der depressiven Sorte.
Mit ‘Love American‘ legt die Band, um Wes Eisold los. Seine Stimme klingt etwas höher und weniger druckvoll als noch vor zwölf Jahren auf “We‘re Down Till We‘re Underground“, was aber irgendwie nicht viel ausmacht, da der Gesang zu leise abgemischt wird und eh nicht wirklich dominant im Sound ist. Dafür ist das Publikum ziemlich heiß auf ein paar Sing-Alongs. Einzige Verschnaufpause ist das mehr als fünfminütige ‘(And It’s Sometimes Like It Will Never End)‘, welches mitten im Set gespielt wird. Eisold steht mit dem Rücken zum Publikum einfach nur da und bewegt sich keinen Millimeter, was schon ziemlich cool als auch intensiv wirkt. Sonst strotzt das 35 Minuten lange Set nur so vor Energie und Hits wie ‘We Are‘, ‘AM/PM‘, ‘The Ice Age Is Coming‘ oder ‘Sore Throat Syndrome‘. Zwar ist es nur schwer zu sagen, ob Sänger Eisold die Show genauso viel Spaß macht wie seinem Publikum, da er die ganze Zeit über keine Miene verzieht und auch sonst nur wenig interagiert, doch passt das zu seinem Image (mittlerweile). Dennoch ist das Set von AMERICAN NIGHTMARE für mich nicht nur das des Tages, sondern sogar das beste Set des gesamten Festivals.

Für REFUSED habe ich keine Kraft und eh nur wenig Interesse. Somit endet das GROEZROCK für mich mit den letzten Akkorden von ‘There’s A Black Hole In The Shadow Of The Pru‘, einem der besten Songs von AMERICAN NIGHTMARE. Ein mehr als würdiger Abschluss für ein gelungenen Festival-Wochenende.

Der Ablauf auf dem GROEZROCK war absolut problem- sowie reibungslos. Dies ist der guten Organisation des Festivität zu verdanken, an welcher es absolut nichts auszusetzen gibt. Ich habe zwar schon ein paar Festivals besucht, doch glaube ich, dass keines so stressfrei war, wie dieses. 2016 muss diese Erfahrung wohl wiederholt werden, zudem der 25. Geburtstag des belgischen Events ansteht.

Text by Sebastian Berning