ROCK IM REVIER 2015

Rock im Revier - KissGanz offensichtlich war alles ganz anders geplant als die Entscheidung getroffen wurde mit „Grüne Hölle“ ein neues Festival am Nürburgring zu veranstalten und somit das alteingesessene und weltweit bekannte „Rock am Ring“ zu ersetzen. Der schleppende Vorverkauf von „Grüne Hölle“ erschwerte die Situation – trotz Größen wie METALLICA, MUSE, KISS, FAITH NO MORE, INCUBUS oder LIMP BIZKIT im Line-Up. Das Münchener Schwesterfestival „Rockavaria“ konnte da bessere Zahlen verbuchen. Schließlich folgte im Frühjahr 2015 der Umzug nach Gelsenkirchen. Die Veltins Arena ist mehr als geeignet für Massenveranstaltungen dieser Größe, wie diverse METALLICA-Konzerte im Schalker Stadion bereits bewiesen.
Durch die Möglichkeit nun auch Tageskarten zu erwerben, konnte man zusätzliche Verkäufe generieren und so immerhin 43.500 Leute an allen drei Tagen in den Ruhrpott locken. Sicherlich ist man letztendlich mit dieser Zahl weit davon entfernt ausverkauft zu sein (was INCUBUS leider am härtesten treffen wird), dennoch sind zumindest Tag 1 und 3 sehr gut besucht. Die Atmosphäre des Festivals ist eher entspannt. Über alle drei Tage kommt es zu keinen Unruhen, die Abläufe sind entspannt und die Organisation läuft sehr gut. Von Jungrockern, Familien mit Kindern bis hin zu gestandenen Kuttenträgern ist im Publikum alles vertreten.

ROCK IM REVIER 29. Mai 2015 – Tag 1

Der erste Tag von ROCK IM REVIER beginnt mit Bändchen holen und erst einmal Orientierung über das Gelände verschaffen, denn das Festival findet mit seinen drei Bühnen nicht nur im Fußballstadion statt, sondern auch im Gebiet drumherum. Leider verpasse ich dadurch EXODUS, was wirklich sehr schade ist, da ich mich ziemlich auf die Thrash-Meister und ihren ‚Toxic Waltz‘ gefreut habe. Los geht es also für mich mit HATEBREED auf der Big Stage, der Hauptbühne in der Arena. ‚To The Threshold‘ eröffnet das Set der metallischen Hardcore-Gruppe um Sänger Jamey Jasta. Dieser ist sich wohl nicht bewusst, dass er in Gelsenkirchen ist und nicht in München, da er das Publikum mehrmals mit „Rockavaria“ anspricht. Die Show des Fünfers ist grundsolide. Man bekommt die HATEBREED-Show, die die Band seit Jahren auf Festivals bietet. Nette Publikumsanimationen, die sicherlich nicht mehr spontan sind, sondern Routine der letzten Jahre, dazu einen ordentlichen Mix aus PANTERA, Metal und Hardcore in Form von Knüllern wie ‚Live For This‘, ‚I Will Be Heard‘, ‚This Is Now‘ oder das abschließende ‚Destroy Everything‘. Sagen wir es mal so: HATEBREED kann man sich auf großen Bühnen eigentlich immer anschauen, nur fehlt der Gruppe das Feuer, welches die Shows vor acht bis zehn Jahren noch auszeichneten. Zumal man sich auch sehr vom Hardcore-Background abwendete: Die Musiker vorzustellen habe ich bisher nur bei den ganz großen und älteren Bands erlebt und besonders nicht auf Hardcore-Shows. Macht nichts, da es nett ist alle paar Jahre wieder einmal die alten Hits der Truppe live zu hören.

Weiter geht es zur kleinen Indoor-Bühne Bang Stage, um GALLOWS zu sehen. Dass die Band um 15:15 Uhr ran muss ist ziemlich schade und dass man gleichzeitig mit TESTAMENT spielt ist noch ärgerlicher. 2009 bei Rock am Ring waren die Briten Headliner im Zelt und spielten direkt nach BRING ME THE HORIZON. Dass die goldenen Zeiten vorüber sind, liegt sicherlich daran, dass Sam Carter nicht mehr am Mikro steht und sich mit selbigen auf der Bühne die Birne blutig schlägt. Dennoch ist ALEXISONFIRE-Gitarrist Wade MacNeil auch schon lange genug dabei, um nicht mehr nur als Ersatz angesehen zu werden. Als ich die Halle betrete, falle ich vom Glauben ab. Wenn überhaupt sind 50 Leute in der Halle! Im Vergleich zu den gut 7000 bei Rock am Ring vor gerade einmal sechs Jahren ist das lächerlich wenig. Das Quartett macht das beste aus der Situation und spielt ihr Set mit viel Lust. MacNeill verbringt die ersten zwei Songs komplett im Publikum und kann sich damit sicherlich bei einigen viele Sympathiepunkte erspielen. Immerhin wird es im Verlauf des Gigs voller in der Halle, jedoch sind gerade einmal geschätzte 300 Leute das Maximum an Zuschauern für GALLOWS. Der Fokus des Sets liegt auf den Releases des aktuellen Line-Ups. Immerhin gibt es mit ‚Misery‘, ‚In The Belly of the Shark‘ und dem abschließenden ‚Orchestra of Wolves‘ drei Songs von den ersten beiden LPs – jedoch merkt man besonders hier, dass eine zweite Gitarre im Sound fehlt.

Bei UNEARTH im Anschluss ist die Halle wesentlich voller. ‚Giles‘ eröffnet das Set mit ordentlich Power. Den Metalcore-Altmeistern macht man so leicht nichts vor. Die Performance ist wieder einmal sehr gut und strotzt nur so vor Spielfreude, auch wenn Sänger Trevor Phipps sich stets von seiner ernsten Seite präsentiert, währen die beiden Gitarristen Ken Susi und Buz McGrath wesentlich lockerer wirken. Neben ausgezeichneter Gitarrenarbeit und massig Pitfutter, zockt die Gruppe eine herrliche Setlist, welche so ziemlich alle Releases berücksichtigt. Als alter Fan freue ich mich natürlich sehr über Nummern von „The Oncoming Storm“, doch auch Freunde der neueren Werke der Amerikaner kommen auf ihre Kosten: Besonders ‚The Swarm‘ und ‚Watch It Burn‘ werden frenetisch aufgenommen und mit einem ordentlichen Moshpit belohnt. Nach 40 schweißtreibenden Minuten – für Musiker sowie Fans – ist jedoch mit den letzten Tönen vom Hit ‚The Great Dividers‘ Schluss und das Thekenpersonal ist nun am Zug, die durstigen Fans  für saftige fünf Euro mit 0,4 Liter Wasser, Cola, Limo oder Bier zu versorgen.

Dennoch ist diese Erfrischung erforderlich, da bei STICK TO YOUR GUNS wieder eines an Bewegung aufkommen wird. Bereits beim eröffnenden Doppel von ‚Nobody‘ und ‚Empty Heads‘ rastet das Publikum kollektiv aus. Es ist nun noch mal etwas voller als bei UNEARTH, was besonders am Zuwachs viele junger Fans liegt, die STICK TO YOUR GUNS als ihre Helden ansehen. Generell ist die Band in den letzten zwei, drei Jahren extrem populär geworden. Der melodische Hardcore mit vielen Breakdowns und eingängigen Refrains hätte auf der Open Air Bühne Boom Stage beim heutigen Wetter sicherlich noch besser funktioniert. Sänger Jesse Barnett ist mit seiner energiegeladenen Performance stets der Mittelpunkt der Show, während sich seine Mitmusiker etwas bedeckter halten. Besonders die BOYSETSFIRE-Gedächtnishymne ‚We Still Believe‘ wird gegen Ende des Sets von allen Fans lauthals mitgesungen, was für mächtig Gänsehaut sorgt, wenn man sich das Spektakel von den Sitzplätzen in der Halle aus ansieht. Ich muss gestehen, dass mir die Show der Jungs recht gut gefallen hat. Bisher hat mich STICK TO YOUR GUNS eher etwas unterwältigt, allerdings sollte ich mich demnächst noch mal genauer mit ihnen befassen.

Jedoch muss ich die Show der Gruppe etwas verfrüht verlassen, um den Weg zur Big Stage zu bewältigen, da um 18.30 FAITH NO MORE die Bühne betreten wird. Mit etwas Verspätung tun es Mike Patton und Co dann. Die gesamte Bühne ist in weiß gehüllt, die Musiker tragen ebenfalls nur weiße Kleidung, spielen weiße Instrumente und über die gesamte Länge des Bühnenrandes stehen Blumen. Optisch macht das schon einiges her, musikalisch jedoch mehr. ‚Motherfucker‘ vom Reunion-Werk „Sol Invictus“ eröffnet die 75 Minuten lange Show der Alternative Metal-Helden. Der Song ist durch seinen passiv-aggressiven Unterton mehr als geeignet, um für FAITH NO MORE als Konzertopener zu fungieren. Das Publikum nimmt die Gruppe sehr gut an, auch wenn man musikalisch schon sehr aus dem Metal-Kontext des Tagesprogramms der Hauptbühne heraussticht. Mike Patton ist sehr gut bei Stimme, so trifft er beim Singen die Töne und kann trotzdem mit Volumen kreischen und wimmern. Seine Band liefert ebenfalls eine gelungene Show ab, die zwischen Genie und Wahnsinn pendelt – ein Balanceakt, den Patton richtig zu genießen scheint. Im Konzertverkauf werden beinahe alle alten Hits gespielt: ‚Epic‘, ‚I’m Easy‘ (der heute übrigens den Metalheads gewidmet ist), ‚Land of Sunshine‘ oder ‚Midlife Crisis‘. Einzig ‚We Care A Lot‘ wird schmerzlich von den Fans vermisst. Dafür kann man sich auch über Nummern von „Album of the Year“ und „King For A Day… Fool For A Lifetime“ freuen. Die aktuelle Single ‚Superhero‘ beendet die Show von FAITH NO MORE noch einmal mit viel Schwung und lässt niemanden enttäuscht zurück.

Im Anschluss gibt sich METALLICA die Ehre den ersten Headliner für Gelsenkirchen zu geben. Die Metal-Könige verzichten auf aufwendige Bühnenaufbauten, hat dafür aber gut 50 Fans auf der Bühne im Hintergrund. Der harte Rocker ‚Fuel‘ dient heute als Einstieg in die gut zweistündige Show der Bay Area-Thrasher. Hetfield ist gut bei Stimme und scheint trotz lichter Reihen Bock auf das Konzert zu haben. Mit ‚For Whom The Bell Tolls‘ und dem Old-School-Thrasher ‚Metal Militia‘ geht es nahlos weiter. Letzt genannter Track war vor der aktuellen Tour von ‚TALLICA das letzte Mal 2011 in der Setlist auf. Auch ‚Desposable Heroes‘ ist kein alltäglicher Song auf Shows von Hetfield und Co. Wirklich selten ist jedoch der „Reload“-Übersong ‚The Unforgiven II‘, den die Band heute zum ersten Mal auf einem regulären Konzert live spielt. Diese Songs sind eigentlich schon die Highlights des Gigs, da sich das restliche Programm wie ein Best-Of der Metal-Band liest. Eigentlich sollte das Quarett viel öfter die Songs austauschen. Genug Material, was die Fans gerne hören würden, hat man ja. Ein Knaller wie ‚Dyers Eve‘ etwa, würde für eine maximal belastete Nackenmuskulatur sorgen.

Wie bereits gesagt, ist das folgende Programm ein Mix aus allen Klassikern der Band. Egal ob das stampfende ‚Sad But True‘, Thrash-Epen der Marke ‚Master of Puppets‘ oder ‚One‘ oder Nackenbrecher wie ‚Creeping Death‘ und ‚Seek and Destroy‘. Diese legendären Kompositionen müssen Bestandteil einer METALLICA-Show sein. Nur ‚Nothing Else Matters‘ könnte man 2015 wohl mal unter den Tisch fallen lassen beziehungsweise durch etwas anderes ersetzen. Mit ‚Lords of Summer‘ spielt die Gruppe auch ihren aktuellsten Song. Ich muss gestehen, dass ich diesen noch nicht kannte. Die Nummer schwankt sehr zwischen erstklassigen Parts und welchen, die einen nicht vom Hocker hauen. Dennoch kann man mit dem „Death Magnetic“-Material locker mithalten. Besonders das Solo von Kirk Hammet ist ein Highlight im Songaufbau.

‚Enter Sandman‘ rundet und schließt den Auftritt der Rockstars ab. Gut zwei Stunden hat die Band Vollgas gegeben – was mich sogar etwas wundert. Ich hätte erwartet, dass die Band wegen der halbvollen Halle nicht so viel Lust hätte und den Auftritt verkürzt. Stattdessen hat man eine normale Setlänge geboten und eine Überraschungen gespielt. Besonders besagtes ‚The Unforgiven II‘ hat es mir (und hörbar auch einigen anderen im Publikum) angetan. METALLICA ist ein gelungener Abschluss für den ersten Festival-Tag.

ROCK IM REVIER 30. Mai 2015 – Tag 2

Vom Line-Up her ist der zweite ROCK IM REVIER-Tag etwas durchwachsen. Auf der einen Seite treten mit Gruppen wie PARADISE LOST, ORCHID, SAINT VITUS, ORGANGE GOBLIN und BABY METAL härtere Metal-Bands auf. Dem gegenüber stehen aber Alternative-Bands wie MUSE, INCUBUS, LIMP BIZKIT, THE HIVES oder TRIGGERFINGER. Tag 2 vermisst also eine musikalische Linie und wirkt zumindest musikalisch etwas durchwachsen. Metal-Fans werden kaum 70€ für eine Tageskarte zahlen, um PARADISE LOST nachmittags für eine Dreiviertel Stunde zu erleben und Abends noch mal eine Stunde SAINT VITUS zu bekommen. Für das Alternative-Publikum sind dafür Tag 1 und 3 nicht wirklich interessant, so dass eigentlich nur Tageskarten bleiben.

PARADISE LOST ist die erste Band, die ich mir anschaue. Die Doom/Gothic/Death Metaller dürfen um 15.20 Uhr auf der Bang Stage ans Werk gehen. Für eine Band mit diesem legendären Status ist die Position im Line-Up zu weit unten, zumal wenn neuere Bands wie BABY METAL oder EISBRECHER nach den Briten spielen werden. ‚The Enemy‘ dient als Eröffnungsnummer in eine Reise durch musikalisch eher triste Landschaften. Immerhin spielt das Wetter mit und der Himmel ist von grauen Wolken bedeckt. Viel zu sehen gibt es im Verlauf der Show jedoch nicht. Das englische Quintett läuft nur wenig über die Bühne, sondern konzentriert sich auf das eigene Spiel und etwas Headbangen. Einzig der äußerst sympathische Nick Holmes bewegt sich beim Singen über die Bühne, zieht es jedoch auch vor am Mikroständer zu verweilen, währen der Songs wie ‚Gothic‘ oder das neue ‚Terminal‘ grunzt. Sein cleaner Gesang sitzt jedoch auch, was besonders dem düsteren Rocker ‚Erased‘ zu Gute kommt. Leider ist nach gerade einmal neun Songs Schluss mit der musikalischen Trauerfeier. Ich hätte noch gut und gerne zwei, drei Songs mehr vertragen. Immerhin kam auch das brandneue Werk „The Plague Within“ mit nur einem Track viel zu kurz.

Dann sackt das Programm des Tages ordentlich zusammen. Eigentlich spielt absolut keine Band, die mich interessiert. Man nimmt das kleinere Übel und wählt die schwedischen Rotz-Rocker THE HIVES aus, die auf der Hauptbühne antreten. Von der Tribüne aus sieht man erst das ganze Ausmaß: Es ist nichts los. Die Ränge sind beinahe komplett leer und im Innenraum ist auch gerade nur ein Drittel gefüllt. Dass, THE HIVES jedoch 2015 noch auf der Hauptbühne spielen dürfen, ist mir jedoch auch ein kleines Rätsel, da die MTV-Tage der Schweden schon ein paar Jahre zurück liegen. Dennoch muss ich sagen, dass mich die Band recht gut unterhält. Sei es wegen der rotzigen Show oder den noch viel rotzigeren und spaßig-arroganten Ansagen von Sänger Pelle Almqvist. An der Musik liegt es zumindest nicht. Der Indie Rock der adrett gekleideten Schweden war noch nie meine Baustelle, auch wenn ‚Walk Idiot Walk‘ und ‚Hate To Say I Told You So‘ recht ordentliche Nummern sind – damals wie heute. Doch ist Almqvists piepsig-freche Stimme kaum die ganze Spielzeit über zu ertragen. Was die Show angeht, macht der Mann durchaus eine gute und teils routinierte Figur, gesanglich hingegen schwächelt er – Live wie auf Platte jedoch.

Nun muss sich entschieden werden, inwiefern man 2001 wieder durchleben möchte: INCUBUS auf der Hauptbühne oder LIMP BIZKIT auf der Boom Stage. Nach einem eher peinlichen Auftritt von Fred Durst beim 2010er Pukkelpop, fällt die Entscheidung leicht. INCUBUS wird musikalisch wohl mehr zu bieten haben als das einstige Nu Metal-Flagschiff. ‚Wish You Were Here‘ versetzt einen direkt ins Jahr 2001 als „Morning View“ erschien. Die Nummer ist bis heute eine der stärksten der amerikanischen Alternative Rocker. Die Jungs sind etwas in die Jahre gekommen, besonders Sänger Brandon Boyd sieht man schon ein dezentes Grau in seinen langen Haaren an. Dafür ist er stimmlich jedoch sehr gut und klingt nicht schlechter als auf den LPs, die das Sextett weltweit erfolgreich machte. Leider sieht man von diesem Erfolg nicht viel. Geschätzt sind gerade einmal 4.000 Leute in der Arena, in der ich METALLICA schon vor 45.000 Menschen gesehen habe. Das sieht natürlich von oben absolut spärlich aus, aber die meisten Nasen sind wohl bei LIMP BIZKIT. Man hätte die beiden Bands wohl nicht zu selben Zeit auftreten lassen sollen. Trotz den sehr lichten Reihen hat INCUBUS jedoch sichtlich Spaß an der Show und rockt sich mit viel Freude durch das 14 Song starke Konzert. Besonders ältere Songs wie ‚Nice To Know You‘, ‚Pardon Me‘, ‚Vitamin‘ oder ‚Drive‘, welchen Boyd bereits einmal in Deutschland gehört haben will als er auf einer öffentlichen Toilette war, kommen bei den Fans sehr gut an. Nach ‚Megalomaniac‘ ist  nach knapp 70 Minuten jedoch Schluss und die entspannten Rocker verlassen die Bühne.

Selbst bei den Headlinern MUSE wird die Arena nicht wirklich voll. Erst nach und nach kommen die Leute von LIMP BIZKIT zu ihnen, so dass sich der Showbeginn knapp 20 Minuten verzögert. Dann endlich gehen die Lichter aus und das Trio eröffnet mit dem neuen Song ‚Psycho‘, der bereits durch ein Video im Vorfeld der Albumveröffentlichung bekannt ist. Die Stimmung bei den etwa 12.000 Zuschauern ist sehr gut. Ob MUSE etwas enttäuscht ist, dass man nicht vor ausverkauftem Haus spielt, weiß ich nicht. Möglich ist es, da man zwei Songs weniger spielt als am Tag zuvor bei Rockavaria in München.

Neben direkt vier Nummern vom noch unveröffentlichten Album „Drones“ liefert die britische
Alternative Rock-Band ein Best-Of-Set, welches den Fokus auf „Absolution“, dem meiner Meinung nach stärksten Werk des Trios, setzt. ‚Apocalypse Please‘ sorgt mit seinen heftigen Klavieranschlägen für Gänsehaut, ‚Hysteria‘ rockt ordentlich drauf los und ‚Time Is Running Out‘ ist Futter für eine gewaltige Gesangseinlage des Publikums, die wohl nur durch ‚Plug In Baby‘ getoppt wird. Schade, dass die beiden von der Setlist gestrichenen Songs ‚The Resistance‘ und ‚Madness‘ waren, da diese sicherlich auch für massig Begeisterung auf Seiten der Fans gesorgt hätten. ‚Reapers‘, ebenfalls ein Vorgeschmack auf „Drones“ beendet dann den ersten Teil der Show.

MUSE kehrt jedoch für drei Zugaben zurück auf die Bühne. ‚Uprising‘ macht den Anstoß für das Finale des zweiten Festivaltags. Das poppige ‚Starlight‘ folgt direkt und sorgt mit seinem großen Refrain erneut für Gänsehaut am ganzen Körper, bevor der obligatorische Rausschmeißer ‚Knights of Cydonia‘ die Show nach etwas mehr als 90 Minuten beendet. Sänger/Gitarrist Matthew Bellamy, Bassist Christopher Wolstenhoimes und Drummer Dominic Howard verbeugen sich noch ein, zwei Mal vor ihren Fans und verlassen dann die Bühne. Leider zwei Songs eher als in München, dennoch war es eine erstklassige Show, die durch super Sound und eine erstklassige Lightshow glänzen konnte.

ROCK IM REVIER 31. Mai 2015 – Tag 3

Der dritte ROCK IM REVIER-Tag ist für mich das Highlight. KISS und JUDAS PRIEST an einem Tag auf einer Bühne – der Wahn! Das scheinen viele ähnlich zu sehen, da der heutige Tag wieder wesentlich besser besucht ist als gestern. Bereits bei ACCEPT sind ungefähr so viele Leute vor der Big Stage wie am Vortag beim Headliner MUSE. Im Publikum sieht man auch wieder wesentlich mehr Rocker und Metaller – glasklar, bei dem Line-Up auf der Hauptbühne.

HELLYEAH kann ich mir beim besten Willen nicht antun, also geht es erst mit ACCEPT so richtig los. Die deutsch-amerikanische Freundschaft erfreut sich, wie erwähnt, eines großen Publikums. Das zehn Song starke Set wird mit ‚Stempede‘ mehr als kraftvoll begonnen. Die Fans der Heavy Metal-Legende nehmen den neuen Track mit viel Freude auf. Überall sieht man in die Luft geballte Fäuste und Headbanger in den ersten Reihen. Sänger Marik Tonillo macht einen mehr als guten Job. Zusammen mit Gitarrist Wolf Hoffmann und Bassist Peter Baltes bildet man den Mittelpunkt der Show. Das Trio wirft sich gekonnt in Pose und spielt mit den Kameras sowie den Fans. Besonders Hoffmann weiß sich in Szene zu setzen und bindet sein Publikum bei seinen Soli mit ein, indem er oft Pausen macht und das Publikum seine Melodie nachsingen lässt. Besonders alte Klassiker wie ‚London Leatherboys‘, ‚Metal Heart‘ (dessen Solo extrem in die Länge gezogen wird durch Hoffmanns Publikumsanimation) oder natürlich die unsterblichen ACCEPT-Hymnen ‚Fast As A Shark‘ und ‚Balls To The Walls‘ sorgen für Begeisterungsanfälle bei den Fans. Nach Letzterem verabschiedet sich die Band nach etwas mehr als einer Dreiviertel Stunde von ihren Fans.

Warum FIVE FINGER DEATH PUNCH nach einer Legende wie ACCEPT spielen, bleibt mir wohl ein Rätsel. Dennoch haben die Modern Metaller einige Fans versammelt in der Veltins Arena. Der stampfende Metal der Amerikaner in den End-90er-Nu-Metal-Outfits kommt besonders bei den jüngeren Fans gut an, die sich im Moshpit austoben. ‚Under and Over It‘ ist direkt zu Beginn ein mitreißender Track, der für viel Applaus und Jubel sorgt. Sänger Ivan Moody ist sehr kompetent im Umgang mit seinem Publikum und weiß dieses zu unterhalten. Cooler wirkt nur Bassist Chris Kael, der scheinbar jede Rock’n’Roll-Pose beherrscht und dadurch zu einem richtigen Blickfang avanciert. Persönlich finde ich den Sound der Rocker auf Dauer etwas eindimensional, da täuschen auch keine Balladen drüber hinweg. Mir fehlt es etwas an prägnanten Melodien, die vergleichbare Bands wie AVENGED SEVENFOLD auffahren können. Gut gemacht ist jedoch das BAD COMPANY-Cover ‚Bad Company‘. Befremdlich hingegen, dass eine Band, die mittig im Billing platziert ist, eine Pause für die Zugabe einlegt. Aber naja, die Gruppe ist da wohl anders gewohnt. Nach einer knappen Stunde ist Schluss und man gibt die Bühne für „the almighty JUDAS PRIEST“ frei.

Auf Rob Halford und Co. habe ich mich schon Wochen vorher gefreut. Geplant war eigentlich ein Trip nach Hamburg, um die Metal Götter endlich einmal live zu erleben, doch da Gelsenkirchen wesentlich näher für mich ist, wurde ROCK IM REVIER natürlich vorgezogen. ‚Battle Cry‘ läuft (leider nur) vom Band ab und dient JUDAS PRIEST als Einmarschhymne. Mit ‚Dragonaut‘ startet man mit viel Schwung in das 75 Minuten lange Set. Die Briten machen einen guten Eindruck, besonders Gitarrenneuzugang Richie Faulkner ist eine Rampensau und geht mit wesentlich mehr Elan vor als der Rest seiner Truppe – was jedoch auch am Altersunterschied liegen wird.

Ab ‚Metal Gods‘ taut auch Halford auf und bewegt sich über die gesamte Bühne. Der Metal God himself bewegt sich gewohnt langsam über die Bühne, kann aber stimmlich voll und ganz überzeugen. Ich bin sogar mehr als positiv überrascht wie gut der Mann die Töne trifft. Klar, im Laufe der Show sieht man ihm die Anstrengung an und sicherlich ist es von Vorteil, dass er bei ‚Hell Bent For Leather‘ auf einem Motorrad sitzt und so etwas verschnaufen kann. Jedoch ist es ebenso offensichtlich, dass Halford Spaß an der Show hat und es sich und allen anderen noch einmal beweisen will. Daher wohl auch der vermehrte und treffsichere Einsatz der Kopfstimme. Bei Klassikern wie ‚Turbo Lover‘ oder ‚Breaking The Law‘ lässt der Sänger sich jedoch vom Publikum unterstützen.

Das Konzert lässt Klassiker auf Klassiker folgen. Vereinzelt spielt die Band Songs vom aktuellen Werk „Redeemer of Souls“, die sich ebenfalls bestens in die Show integrieren. ‚Hell Bent For Leather‘ beendet den regulären Teil des Auftritts, bevor ‚The Hellion‘ in ‚Electric Eye‘ überleitet. Im Anschluss ertönt das geniale Drumintro zu ‚Painkiller‘ – Gänsehaut! Hier strauchelt Halford zwar etwas bei dem durchgängigen Gebrauch der Kopfstimme, aber geschenkt – immerhin ist der Song 25 Jahre alt und der Metal God schlägt sich tapfer. Der Rocker ‚Living After Midnight‘ ist dagegen wieder ein Klacks für ihn und beendet ein wirklich super Konzert. JUDAS PRIEST ist wesentlich stärker als man vielleicht vermutet. Anschauen lohnt sich!

Dieses super Konzert wird noch einmal gesteigert von der perfekt durchgeplanten Show der wohl bekanntesten „Gesichter“ der Menschheit, KISS. Wer einen Hit der Marke ‚Detroit Rock City‘ als ersten Song spielen kann, der muss noch einige Schwergewichte im Gepäck haben. Paul Stanley, Gene Simmons, Tommy Thayer und Eric Singer wissen, was eine Rock’n’Roll-Party ausmacht. An allen Ecken und Enden knallt es, wird Feuer in die Luft geschossen oder sonst irgendein Showelement verwendet. Der Drumraiser steigt ungefähr 15 Meter in die Höhe, um Singer einen erstklassigen Blick über die Fans zu verschaffen. Die Lichtshow übertrifft alles bisher gesehene bei ROCK IM REVIER. Einen besseren Abschluss für ein Festival als KISS kann man sich wohl kaum wünschen.

Die Setlist besteht aus den üblichen Klassikern, die die Band seit ungefähr 20 Jahren durch die Weltgeschichte schicken. Im Set sind wohl nur zwei, drei Positionen austauschbar. Ich hatte im Vorfeld sehr auf die „Hot In The Shade“-Nummer ‚Hide Your Heart‘, welche dieses Jahr in den USA wieder häufig auf den Konzerten gespielt wurde, gehofft. Leider werde ich „enttäuscht“: Einzige Nummer aus der ungeschminkten Phase ist das knackige ‚Lick It Up‘, welches durch diverse Showeinlagen auf ungefähr sieben Minuten ausgeweitet wird. Dafür ist positiv zu vermerken, dass KISS direkt drei Songs von „Creatures of the Night“ spielt: Den erstklassigen Titesong, das von Bryan Adams mitkomponierte ‚War Machine‘ und das fetzige ‚I Love It Loud‘ sind super Ergänzungen in der Setlist und zumindest die letzten beiden auch nicht alltäglich im KISS-Set.

Leider ist Paul etwas schwach bei Stimme, was man besonders in der Strophe von ‚I Was Made For Loving You‘ bemerkt. Dafür kann Genes Gesang über die volle Distanz überzeugen. Sonst lässt sich über die Performance nichts schlechtes sagen. KISS hat die Showabläufe in mehr als 40 Jahren perfektioniert. Gene spuckt Feuer und Blut, fliegt bei ‚God of Thunder‘ in einen Käfig weit über der Bühne, Paul tanzt lässig wie in den 1980er Jahren, auch Tommy bewegt sich lässig über die Bühne und wirkt absolut cool bei seinen Soloeinlagen.

Nach ‚Black Diamond‘, welches von Singer mehr als ordentlich vorgetragen wird, verabschiedet sich die Rocklegende. Wenig später geht man natürlich noch für eine Zugabe erneut auf die Bretter. ‚Shout It Out Loud‘ macht den Anfang. ‚I Was Made For Loving You‘ folgt und – wie könnte es anders sein – ‚Rock and Roll All Nite‘ dient als Schlussakt. Paul zertrümmert seine Gitarre, während Gene und Tommy auf ausfahrbaren Podesten über dem Publikum schweben und Eric mit seinem Drumkit wieder hoch oben in der Luft steht. Ein grandioses Ende!

Auch für ROCK IM REVER geht es zu Ende. Man will trotz etwas weniger Zuschauer 2016 weitermachen. Wünschenswert wäre es, dass dieses tolle Festival in eine zweite Runde geht. Mein Tipp wäre allerdings, dass man sich vielleicht doch eher auf härteren Rock und Metal spezialisiert und Alternative/Indie-Bands wie THE HIVES nicht einlädt. Der zweite Tag fiel musikalisch zu weit aus dem Rahmen für den durchschnittlichen Besucher. Tag 1 und 3 waren ja gut besucht, litten aber sicherlich auch daran, dass eine Woche vorher in Gelsenkirchen das Rock Hard Festival stattfand und eine Woche später Rock am Ring. Das sind zu viele Festivals in drei Wochen, die eigentlich ein ähnliches Publikum ansprechen. Und noch zieht Rock am Ring die Leute alleine wegen des Festivalnamens. ROCK IM REVIER hat jedoch das Potential sich in den nächsten Jahren zu etablieren.

Sebastian Berning