Alcest und Lantlôs im Turock
Bands: Alcest und Lantlôs
Location: Turock, Essen
Datum: 09.09.2015
Mit „Shelter“ ist ACLEST eines der für mich besten Alben des letzten Jahres gelungen. Die Franzosen klangen nie kompakter als auf diesem Album. Gleichzeitig konnte man mit großen Melodien aufwarten, die keinen Fan enttäuschen. Die Black Metal-Wurzeln hat man allerdings komplett abgelegt. Besser war allerdings „Meltung Sun“, das vierte Album von LANTLÔS. Die deutsche Band hat mit dem Abgang von Sänger Neige (der übrigens Gründer, Sänger und Gitarrist von ACLEST ist) ihren Sound von Post-Black Metal in Richtung Post-Rock geändert. Beide Bands verbindet also nicht nur Neige am Mikro, sondern auch die verträumte und spielerische Soundästhetik.
Als LANTLÔS die Bühne betritt ist das Turock schon gut gefüllt. Ich hätte ehrlich gesagt weniger Besucher für solch eine Nischenmusik erwartet. Gut 300 Leute wollen die beiden Bands sehen. ‚Bliss‘ von „Agape“ eröffnet den Konzertabend. Wer von der Gruppe nur das letzte Album kennt, wird über den harten und mehr als massiven Soundwall irgendwo zwischen Post-Metal und Black Metal erstaunt sein. Zumindest ging es mir letztes Jahr auf der LANTLÔS-Show im Oberhausener Helvete so, wo übrigens deutlich weniger Zuschauer waren. Das Quintett geht völlig in der Musik auf. Bühnenshow gibt es nur wenig. Ein bisschen Kopfnicken oder auf den Boden schauen stellen das höchste der Gefühle dar. Das macht aber absolut nichts, da diese Art von Musik kein Gehampel benötigt, sondern auch einfach nur als Musik super funktioniert. Der klare und doch druckvolle Sound im Turock kommt dem zu Gute, da so die viele Details, die die drei Gitarristen fabrizieren schön zur Geltung kommen. So manch spielerische Finesse ist mir beim Hören der Platten nicht einmal aufgefallen.
Hauptaugenmerk liegt auf „Meltung Sun“, von dem drei Songs gespielt werden. Diese Nummern bilden den mittleren Block des Sets. Der Bruch zwischen ‚Bliss‘ und ‚Meltung Sun I: Azure Chimes‘ wirkt nicht so ruppig, wie man es vielleicht erwartet, da auch das Post-Rock-Material von LANTLÔS live kantiger ertönt als auf der Studioversion. Den Abschluss bilden zwei Songs von „neon“: ‚Pulse/Surreal‘ und das grandiose ‚Coma‘, welches besonders durch den melodischen und irgendwie fetzigen Mittelteil für Gänsehaut pur sorgt. Leider ist mit die Nummer schon bekannt und ich kann nicht noch einmal erleben, wie mich dieser Song ganz überraschend umhaut wie auf dem Konzert im letzten September.
Amtliche 50 Minuten Spielzeit kann der Support LANTLÔS auf der Bühne stehen. Trotz wenig Performance und beinahe noch weniger Interaktion mit dem Publikum war es eine mehr als gelungene Show von einer der besten Bands der deutschen Metal-Szene. Wer es noch nicht getan hat: Antesten, antesten, antesten!
Nach einer etwas längeren Pause betritt dann ALCEST die Bretter. Das französische Quartett hat ein etwas ungewöhnliches Setup: Das Drumkit steht in der rechten Ecke, in der Mitte steht dafür Neiges Gitarrenverstärker. So sieht man es auch nicht alle Tage. Im Hintergrund hängt ein simpler schwarzer Banner, welcher das Logo der Band präsentiert. Nach einem kurzen Intro legen Neige und Co mit ‚Opale‘, der Single von „Shelter“, los. Zunächst geht der Gesang etwas unter, während die Instrumente genauso klar klingen wie beim Support. Da die Vocals auf den Alben allerdings auch nicht wirklich im Fokus stehen, ist dieser Umstand allerdings auch gar nicht so schlimm. Zumal es sich ab dem zweiten Song eh bessert.
Genau wie bei LANTLÔS gibt es bei ALCEST nicht wirklich viel Show. Die Musiker gehen völlig in ihrer Musik auf und verzichten nahezu völlig auf Bewegung. Es wird ein bisschen gelaufen oder manchmal das Haupthaar geschwungen, aber grundsätzlich bleibt man dem Shoegaze treu und starrt nach unten. Auch hier macht das bei ALCEST überhaupt nichts. Am Ende bin ich sogar überrascht wie schnell die 90 Minuten Konzert um sind ohne das wirklich viel passiert ist. Die verträumten Songs reißen den Zuhörer völlig mit und man taucht in nahezu surreale Sounds ein. Daher verwundert es nicht, dass das Publikum eher ruhig ist und andächtig dem Post-Rock ACLESTs lauscht.
Alcest und Lantlos auf Tour
Die Setlist von ALCEST ist ein schöner Querschnitt aus den vier Alben. Ein Hauptaugenmerk lässt sich nicht ausmachen, da von den letzten drei LPs jeweils drei Songs gespielt werden, vom Debüt „Souvenirs D’un Autre Monde“ immerhin noch zwei. Die schwarzmetallische EP „Le Secret“ wird jedoch außenvorgelassen. Wer allerdings darauf wartet, dass Neige gesanglich harscher zu Werke geht, der kann sich immerhin über ‚Percées de lumière‘ freuen, welches eine schöne Symbiose aus (hippem) Black Metal und dem gewohnten ALCEST-Sound darstellt.
‚Autre Temps‘ und ‚Déliverance‘ fungieren als Zugaben des heutigen Abends. Besonders erstgenannte Nummer kann sich über großen Beifall des Publikums freuen. Zweite hingegen beendet den anderthalbstündigen Auftritt. Neige kniet mit seiner Gitarre vor seinem Amp und erzeugt noch ein bisschen Feedback bevor auch er die Bühne verlässt und somit auch die Hallenlichter angehen. An keiner der beiden Bands gibt es irgendwas auszusetzen, allerdings hat mit LANTLÔS noch ein kleines bisschen besser gefallen. Aber das soll ALCEST nicht herabsetzen, immerhin handelt es sich hier um eine der Touren des Jahres im Bereich des intellektuellen Rock/Metal.
Text und Foto by Sebastian Berning